"Stimmt doch Wand, oder?"
"Shirley Valentine" von Willy Russell im Internationalen Theater Frankfurt

"Ich hasse es, ein Leben lang mit der Wand zu reden. Die meisten Männer können nicht mit Frauen reden."Shirley Bradshaw hat es nicht leicht, denn ihr Mann ist der Inbegriff eines unselbständigen Paschas, der schreit, wenn donnerstags kein Fleisch auf dem Tisch steht, und eine Vermisstenanzeige aufgibt, wenn sie nur fünf Minuten auf Toilette ist. Ihre Kinder, für die sie der gute alte Gebrauchsgegenstand war, sind ausgezogen und zurückbleibt nur ihre Ehe, die am Ende ist. Shirley ist einsam und spricht mit der Wand in der Küche klagt dieser ihr Leid und fragt immer wieder unsicher "Stimmt doch Wand, oder?" Die Schauspielerin Ingrid Hoffmann schafft es mit einer unglaublichen Präsenz die Zuschauer im zweistündigen ,das 1989 verfilmt wurde, im Internationalen Theater zu begeistern. Bei der Darstellung Shirleys im Gespräch mit der Wand zog Ingrid Hoffmann schauspielerisch alle Register .Von euphorischen Anwandlungen mit erhobenem Weinglas beim Kartoffelschälen bis zum Heulkrampf, als Shirley sich fragt, wo eigentlich die Shirley Valentine geblieben ist, die sie vor ihrer Hochzeit mit Joseph "Joe" Bradshaw war. Shirley, in Birkenstocklatschen, ausgebeulten braunen Leggings und mausgrauem Riesensweatshirt, erzählt ihre Geschichten sehr komisch und schlüpft dabei in viele kleine Rollen, wie beispielsweise ihren Sohn beim Krippenspiel in der Grundschule, ihre Klassenkameradin, die Edelnutte geworden ist, oder ihre Nachbarin beim Dessouskauf. Von ihrem Ehemann, mit dem die Kommunikation nicht funktioniert und jegliche Anziehung verloren ist, erzählt sie: "Sex ist wie im Supermarkt, es wird geschubst, gedrängelt, geschwitzt."
Doch dann kommt der Punkt, an dem Shirley anfängt, sich zu emanzipieren. Den Anlass gibt eine männerhassende Freundin, die ihr ein Flugticket für drei Wochen Griechenland schenkt, um mit ihr zusammen zu verreisen. Sie ringt sich letztlich dazu durch, die Reise anzutreten, sitzt auf ihrem gepackten Koffer und wiederholt stoisch "Reisepass, Flugticket, Geld", indem sie ihre Handtasche durchsieht. Der Regisseurin Barbara Müller ist es gelungen, das Dilemma einer Mittvierzigerin, die plötzlich merkt, wieviel nicht gelebtes Leben an ihr vorübergezogen ist, glaubhaft zu inszenieren.
Als nach einer kurzen Pause die Bühne umgebaut wird und an der Stelle der gutbürgerlichen Küchenzeile das griechische Meer und ein Bootssteg angedeutet werden, tuscheln einige Damen im Publikum erleichtert. In grünem körperbetontem Kleid tritt dann die selbstbewusste Shirley Valentine auf die Bühne, die nicht länger vor dem Leben davonläuft. Allein, aber nicht einsam, wie sie betont, bleibt sie kurzerhand in Griechenland.

Ann-Kristin Persson